Dienstag, 13. November 2012

Diözese Chur

Ein Artikel in der heutigen Ausgabe der liberalen, nicht unbedeutenden "NZZ", der die Meinung und Stimmung sowohl der säkularen als auch der kirchlichen Verlautbarungen zu unserem Bischof und seinen Bemühungen recht deutlich wiedergibt:

"Purismus in der Bischofsburg

Christoph Wehrli

Der Weg zum Bischofssitz führt von der Churer Altstadt hinauf zum speziell ummauerten «Hof», dem einstigen römischen Kastell. Oben an dem Platz steht die Kathedrale, die älteste der Schweiz, links das bischöfliche Palais. In einem traurigen Sinn ist die Situation ein reales Bild der Verhältnisse. Die Leitung des Bistums, zu dem auch die Urschweiz, Glarus und Zürich gehören, steht seit Jahrzehnten eher einsam und defensiv da, fern von einer gesellschaftlichen Umwelt, in der sie vor allem kirchlichen Zerfall sieht. Wolfgang Haas, die Hoffnung seines Vorgängers Johannes Vonderach, gelangte am wahlberechtigten Domkapitel vorbei ins Amt und agierte so unsensibel, dass ihn der Papst 1997 in das dafür gegründete Erzbistum Vaduz versetzte. Amédée Grab verschaffte der Diözese ein Jahrzehnt lang Ruhe. Seit fünf Jahren ist die Entwicklung wieder krisenhaft.

Aufseher statt Integrator

 

Den grossen Eklat hat Bischof Vitus Huonder bisher vermieden. Die Absicht, Generalvikar Martin Grichting, einen bekennenden Gegner staatskirchenrechtlicher Strukturen, zum Weihbischof ernennen zu lassen, gab er letztes Jahr auf. Doch in den letzten Monaten haben sich Aktionen, die Konflikte schüren, gehäuft. Ein inhaltlich nicht neues Bundesgerichtsurteil über den Kirchenaustritt war für Huonder Anlass, direkte Spenden an das Bistum als Alternative zu Kirchensteuern hinzustellen. Das war als symbolischer Angriff auf die demokratischen kantonalkirchlichen Strukturen zu verstehen, die viel zum Aggiornamento des Schweizer Katholizismus beigetragen haben.
Im Kanton Graubünden bekämpft Grichting jede Unterstützung einer Beratungsstelle durch die kantonale Körperschaft, weil sie unter anderem die Beratung schwangerer Mädchen bescheinige und damit eine Voraussetzung für Abtreibungen schaffe, also «Tötungslizenzen» ausstelle. Die Zweckbindung des Beitrags für Tätigkeiten, die mit der Lehre der Kirche in Einklang stehen, genügte dem Bischof nicht, er prüft nun rechtliche Schritte. Ein unbeflecktes Dogma scheint wichtiger als der Blick auf die des Beistands bedürfenden Menschen.
In einem Hirtenbrief über die Ehe und am letzten Wochenende in einem Bischofswort über die Eucharistie hat Huonder oft missachtete kirchliche Normen in Erinnerung gerufen. Das mag eine Pflicht sein. Aber das Amt des Episcopus wird allzu wörtlich und einseitig als das eines Aufsehers verstanden, wenn Missbräuche im Vordergrund stehen. In den Pfarreien bemühen sich Priester – in ungenügender Zahl und steigendem Durchschnittsalter – sowie Pastoralassistentinnen und -assistenten, den Kirchengliedern – ob sie den Vorgaben entsprechen oder nicht – Gottesdienste und persönliche Seelsorge zu gewährleisten, Dieses Kader wird durch schematische Ordnungsrufe in zusätzliche Schwierigkeiten, ja Gewissenskonflikte gebracht.
Unter den Gläubigen mag es ein Teil begrüssen, dass angesichts der Gefahr von Beliebigkeit klargestellt wird, was gilt. Doch einer Mehrheit dürfte auf dem Weg zu einer verantwortungsvollen christlichen Existenz kaum geholfen sein. Wer beispielsweise die Realpräsenz Christi in der Kommunion nicht naiv akzeptieren kann, müsste sich ausgeschlossen sehen. Huonder vertraut auf eine automatische Wirksamkeit gegebener (oder gesetzter) Regeln. In einem Büchlein bietet er eine «Anleitung» für ein religiöses Leben und vergleicht die Glaubensinhalte mit Computer-Menus, die man nur anzuklicken brauche. Er beschwört die Einheit und wirkt, indem er auf konservative Einheitlichkeit setzt, in einer vielfältig gewordenen Kirche spaltend – sofern er nicht einfach ignoriert wird.

Kollegen am Zug

 

Ob Vitus Huonder bewusst auf eine radikal geschrumpfte «reine» Kirche hinarbeitet, ist unklar. Nach dem Massstab einer offenen und gesellschaftlich relevanten Kirche hat seine Tätigkeit etwas Selbstzerstörerisches. Wer könnte eingreifen? Die eigenen Beratungsgremien hat der Bischof schon eher geschwächt. Die Kantonalkirchen haben keine geistliche Kompetenz und können nur im Extremfall zu finanziellen Druckmitteln greifen. In Rom dürfte man im Zweifelsfall zum Abwarten neigen (in fünf Jahren erreicht Huonder die Altersgrenze).
Bleibt die Schweizer Bischofskonferenz unter dem neuen Präsidium des volkskirchlich eingestellten St. Gallers Markus Büchel. Dem Kollegium kann es nicht gleichgültig sein, wenn eine der grossen Diözesen ein Bild abgibt, das nicht zuletzt für den Nachwuchs an Seelsorgern abschreckend ist. Martin Werlen, Abt von Einsiedeln und Mitglied der Konferenz, hat kürzlich auf nötige und mögliche Reformen hingewiesen und damit gezeigt, dass es noch vorwärts agierende Kräfte gibt. Auch andere Bischöfe stellen sich den Realitäten, statt selber den Rückzug zu betreiben, der letztlich auch für die Gesellschaft eine Verarmung bedeutet. Es muss sich nun zeigen, ob wenigstens die Spirale von Resignation und Schweigen umgedreht werden kann."

(Reaktionen hiezu sind nur verlorene Zeit!)

1 Kommentar:

Roger Michael hat gesagt…

Ja Reaktionen überflüssig.
Ich war am Sonntag in Chur, die Eröffnungsfeier war wunderbar. Anbetung, Beichtgelegenheit, Andacht, Hl. Messe, Vesper, persönliche Kontakt mit dem Bischof, auch mit Msgr. Grichting.
Bischof Vitus mach sich ernsthaft sorgen um den Glauben, das merkt man. Er hätte sicherlich gerne eine grosse und volle Kirche, doch nicht um den Preis des Glaubens und der Wahrheit.